Stuttgart als Hotspot der Arbeitswissenschaft

13. März 2024 /

IAT der Universität Stuttgart war Gastgeber des 70. GfA-Frühjahrskongresses
[Bild: Ludmilla Parsyak, IAT der Universität Stuttgart]

Nahezu 400 Teilnehmende aus Wissenschaft und Wirtschaft besuchten von 6. bis 8. März 2024 den 70. Frühjahrskongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (GfA) in Stuttgart. Ausgerichtet wurde der Kongress von Professorin Katharina Hölzle, Leitern des Instituts für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT der Universität Stuttgart sowie des Fraunhofer IAO. In unterschiedlichen Formaten wurden Visionen für die Arbeit der Zukunft vorgestellt und diskutiert.

Nahezu 400 Teilnehmende besuchten über drei Tage den 70. GfA-Frühjahrskongress.

Unter dem Motto »Arbeitswissenschaft in-the-loop« tauschte sich die interdisziplinäre Community der Arbeitswissenschaft in Deutschland beim 70. Frühjahrskongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (GfA) in Stuttgart zu aktuellen Erkenntnissen und Forschungsideen aus. Der GfA-Kongress ist die größte wissenschaftliche Fachkonferenz der Arbeitsforschung im deutschsprachigen Raum. »Wir müssen in Zukunft Arbeit und Innovation zusammen denken und als eine Aufgabe verstehen. Wir brauchen Szenarien und innovative Lösungen, die aufzeigen, wie Arbeit als Kollaboration von Mensch und Technologie aussehen wird« betonte Katharina Hölzle in ihrer Keynote. Angesichts der Potenziale von Generativer Künstlicher Intelligenz als ein neuer Akteur im Arbeitssystem, der Entwicklung des Metaversums als Ort der Mensch-KI-Kollaboration sowie des Fachkräftemangels sei es notwendig, Arbeit in offenen und dynamischen Arbeitsökosystemen zu denken. Dabei sei die Menschzentrierung erfolgskritisch, um durch lernförderliche Arbeitsbedingungen und sinnhaft empfundene Arbeitsziele individuelle Motivations- und Kreativitätspotenziale zu aktivieren. Angesichts des technologischen Fortschritts und gesellschaftlicher Entwicklungen sei es vornehmliche Aufgabe der Arbeitswissenschaft, die Arbeit menschengerecht, produktiv und ressourceneffizient zu gestalten.  

Die Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (GfA) vereint Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Praxis sowie Behörden und Verbänden, die sich zur Zukunft der Arbeitsforschung austauschen. Der Präsident der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft, Martin Schmauder (Professur für Arbeitswissenschaft der TU Dresden), stellte den interdisziplinären Ansatz der Arbeitswissenschaft heraus: »Nur durch einen ganzheitlichen Ansatz, in dem Mensch, Technik und Organisation berücksichtigt werden, kann die Zukunft der Arbeit wirtschaftlich und human gestaltet werden. ›Arbeit‹ als Forschungsgegenstand hat eine hohe Dynamik und es zeigt sich, dass in der betrieblichen Praxis ein hoher Bedarf an gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zur Gestaltung der Arbeit besteht.« Viele Beiträge von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf dem Kongress zeigten, dass die Arbeitswissenschaft ein attraktives und herausforderndes Forschungsgebiet ist. Erstmalig hat die GfA in diesem Jahr den Best-Young-Scientist Award ausgelobt, der den Gewinnerinnen und Gewinnern die Möglichkeit bietet, an der Jahreskonferenz der International Ergonomics Association (IEA) in 2025 in Südkorea teilzunehmen. Zugleich trafen sich die Forscherinnen und Forscher aus dem Netzwerk der »Regionalen Kompetenzzentren der Arbeitsforschung« und stellten ihre Arbeitsergebnisse zur Diskussion. 

Abwechslungsreiches Programm über die gesamte Bandbreite der Arbeitsforschung 

Mit Keynotes, Fachvorträgen, interaktiven Workshops, einer Doktorandenwerkstatt, dem Marktplatz der »Regionalen Kompetenzzentren der Arbeitsforschung«, Posterpräsentationen sowie einer Exkursion in ausgewählte Labore auf dem Fraunhofer-Campus erlebten die Kongressteilnehmenden ein abwechslungsreiches Programm über die gesamte Bandbreite der Arbeitsforschung. Neben dem derzeit alles beherrschenden Thema »Künstliche Intelligenz« stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in über 175 Vorträgen ihre Forschungsarbeiten zu zahlreichen weiteren Themen wie u.a. Neuroarbeitswissenschaften, physische und virtuelle Arbeitsräume, Visualisierung, psychische Gesundheit, Fahrzeug und Mobilität, Wissenstransfer oder Arbeitsschutz vor. Zudem wurden etwa 40 Poster präsentiert. Den Preis für die beste Posterpräsentation holte sich Marina Gloettner, für den gemeinsam mit Anne-Elisabeth Krüger eingereichten Beitrag »Natur als nachhaltige Quelle für Resilienz und Wohlbefinden«, den sie im Rahmen des »Mittelstand-Digital Zentrum Fokus Mensch« erarbeitet hat.

Die Gewinnerin der Posterausstellung Marina Gloettner während der Präsentation.

Praxisnähe und Wissenstransfer erhöhen Akzeptanz für Veränderungen  

Ein Highlight war die Dinner-Speech des ehemaligen IG-Metall-Bezirksvorsitzenden Roman Zitzelsberger, der sein Amt zum 1. März 2024 abgegeben hat. Er sieht Arbeit als eine Form der Veränderung. Vor diesem Hintergrund bekannte er sich als Freund generativer KI-Technologien und sieht diese als Chance, Arbeit besser zu gestalten. »Wir müssen neue Formen der Arbeit greifbar machen« appellierte er, nur so könne man Akzeptanz für die Veränderungen schaffen. Um genau diesen Transfer der Forschungsergebnisse in die betriebliche Praxis umzusetzen, waren bei der Podiumsdiskussion zum Thema »Neue Perspektiven und Anforderungen an die Arbeitswissenschaft« Unternehmensvertreter dazu eingeladen, ihre Wünsche an die Arbeitswissenschaft zu formulieren. Dr. Lorenz Hagenmeyer (VP Organizational Development, Robert Bosch GmbH), Martin Kimmich (VP Human Resources, Festo SE & Co. KG), Helmut Link (Geschäftsführender Gesellschafter, Interstuhl Büromöbel GmbH & Co KG) und David Reger (CEO, Neura Robotics GmbH) waren sich einig, darin, dass die Nähe zur Praxis, die Möglichkeit, auch kurzfristig Lösungen umzusetzen sowie die Menschzentriertheit ganz oben auf ihrer Wunschliste stehen. Auf dem Weg zu agilen Arbeitsweisen und zur betrieblichen Leistungsführerschaft sei die Entfaltung der menschlichen Initiative unabdingbar. Noch nie sei die Bedeutung einer menschengerechten Arbeitsgestaltung höher gewesen als heute, meinte Neura Robotics CEO Reger, weil nur so eine Technikakzeptanz für einen umfassenden Robotereinsatz auch in der Home Sphere zu erreichen sei.  

Bei der abschließenden Exkursion auf den Fraunhofer-Campus erhielten die Teilnehmenden Einblicke in das Future Work Lab, den Fahrsimulator und das NeuroLab am Fraunhofer IAO, das Roboter-Versuchsfeld und das Ergonomielabor am Fraunhofer IPA sowie den Freifeldraum (»schalltoter Raum«) am Fraunhofer IBP. 

Der nächste Frühjahrskongress der GfA findet von 25. bis 27. März 2025 in Aachen statt. 

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